Fachartikel
Wie die Saat, so die Ernte
Ein Artikel der BIOTOPP 5/21
Der Grundstein für eine gute Ernte beginnt bereits mit der Saat. Auf gute Saatbedingungen zu achten, ist daher Grundvoraussetzung für einen passenden Feldaufgang, einen schönen Bestand und später für einen zufriedenstellenden Ertrag.
Von Annegret Schrade
Neben Bodenbearbeitung, Witterung und anderen Faktoren hat gesundes Saatgut einen ganz entscheidenden Einfluss auf Erntemenge und -qualität. Gerade im Anbau unter ökologischen Bedingungen, in dem chemische Beizmittel nicht zur Verfügung stehen, ist gesundes, triebkräftiges Saatgut einer der wichtigsten Faktoren für einen erfolgreichen Anbau. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten für die Herkunft von Saatgut: Bezug von zertifiziertem Saatgut über einen Händler oder der eigene Nachbau von Arten, deren Nachbau erlaubt ist.
Einsatz von Biosaatgut
Die Verwendung von ökologisch erzeugtem Saatgut ist für Biobetriebe Pflicht. Bei Nicht-Verfügbarkeit von ökologischem Saatgut kann – im Ausnahmefall – bei einigen Kulturen auch konventionelles, ungebeiztes Saatgut verwendet werden. Dafür muss vor der Aussaat eine Genehmigung über die Plattform www.organicxseeds.de eingeholt werden.
Beim Anbau von zertifiziertem Saatgut (Z-Saatgut) können die Landwirt*innen zwischen den neuesten Sorten wählen. Die Züchtung bleibt nicht stehen und es werden ständig Sorten entwickelt mit besseren Eigenschaften hinsichtlich Ertrag, Trockenheitstoleranz, Winterhärte, Steinbrandresistenzen, Roste, Fusarien usw. Bevor diese Sorten im größeren Stil vermehrt werden, durchlaufen sie aufwendige Prüfungen des Zuchtunternehmens, des Bundessortenamtes, Landesanstalten und werden in Schauversuchen auf verschiedenen Standorten bewertet. Die Entwicklung einer Getreidesorte dauert circa zehn Jahre und kostet den Züchter etwa 1,5 Millionen Euro.
Der Weg zum Z-Saatgut
Bis das Z-Saatgut im Ackerboden landet, hat es einige Hürden und den Weg vom Sorteninhaber über den Vermehrer und den Handel bis zum Saatgutkunden hinter sich. Landwirt*innen, die Saatgut vermehren wollen, schließen Verträge mit sogenannten Vertriebsorganisations-Firmen (VO-Firmen) ab, zum Beispiel mit der Marktgesellschaft der Naturland Bauern AG, dem privaten oder genossenschaftlichen Handel. Die VO-Firma übernimmt die Organisation der Vermehrung, die mit der Anmeldung des Vermehrungsvorhabens vor der Aussaat bei der zuständigen Behörde (in Bayern zum Beispiel bei der Landesanstalt für Landwirtschaft) beginnt und mit dem Absatz/der Vermarktung des erzeugten Saatgutes endet. Die VO-Firma steht auch bei der Auswahl von geeigneten und künftig nachgefragten, vielversprechenden Sorten zur Verfügung.
Je Kultur gibt es einen Mindestflächenumfang, auf dem der Betrieb Saatgut vermehren muss, bei Getreidearten sind dies je mindestens zwei Hektar. Auch für die Vorfrucht gibt es entsprechende Vorgaben, diese müssen so gewählt worden sein, dass bei Durchwuchs keine Fremdbefruchtung oder Sortenvermischung zu befürchten ist. Abstände zu anderen Flächen müssen eingehalten werden. Bei Populationsroggen als Fremdbefruchter sind hier zum Beispiel mindestens 250 Meter zu anderen Roggenfeldern vorgeschrieben, bei anderen Getreidearten weniger. Aber grundsätzlich braucht es zu allen anderen Mähdruschfrüchten ausgemähte Trennstreifen von mindestens 40 Zentimetern, um auch hier Vermischungen zu vermeiden. Außerdem ist vorgeschrieben, die Flächen durch entsprechende Schilder mit Informationen, was hier für wen vermehrt wird, zu kennzeichnen. Meist stellen die VO-Firmen ihren Vermehrern hierfür vorgefertigtes Schildermaterial zur Verfügung.
Im Frühsommer werden alle Flächen mit Saatgutvermehrungen von einem staatlich beauftragten Feldbesichtiger mindestens einmal begutachtet. Dabei spielen Sortenidentität, Homogenität, Fremdbesatz und samenbürtige Krankheiten eine Rolle. Genaue Kriterien sind gesetzlich festgelegt und können in der Saatgutverordnung nachgelesen werden.
Zum Beispiel dürfen in einer Hafer-Vermehrung keine Flughaferpflanzen zu finden sein. Andere Arten, die sich schwer herausreinigen lassen, sind auf maximal zehn Pflanzen pro 150 Quadratmeter beschränkt. Die Liste der Kriterien ist lang und für viele Kulturen unterschiedlich definiert. Ziel ist es, sortenreines Saatgut zu erzeugen, das frei ist von Krankheiten und Fremdbesatz und natürlich gut keimfähig. Für den Saatgut-Vermehrer ist es daher selbstverständlich, zuvor mehrmals durch den Bestand zu laufen und per Hand von Fremdgetreide oder entsprechendem Beikraut zu bereinigen. Sollte die Fläche bei der Feldbesichtigung durchfallen, scheidet die Verwendung der Ernte als Saatgut aus.
Ist der Feldbestand anerkannt, muss nach der Ernte das Saatgut eine Beschaffenheitsprüfung im Labor überstehen, wobei auf Reinheit, Fremdbesatz, Sortierung und Keimfähigkeit geprüft wird. Eine sorgfältige Aufbereitung zuvor ist deshalb obligatorisch. Bereits bei der Ernte wird auf eine entsprechend genaue Reinigung des Mähdreschers und der Transportfahrzeuge Wert gelegt. Die Ernte wird nicht nur gegebenenfalls schonend getrocknet, sondern auch gut gereinigt. Die Sortenreinheit kann nur sichergestellt werden, wenn alle Aggregate der Saatgutaufbereitungsanlage zwischen unterschiedlichen Partien entsprechend gereinigt werden. Bei Körnerleguminosen ist auf geringe Fallhöhen und schonenden Transport zu achten, um die Keimfähigkeit nicht zu gefährden. Anschließend wird von einem ebenfalls staatlich beauftragten Probenehmer eine Saatgutprobe entnommen und ins Labor geschickt. Auch hier müssen strenge Grenzwerte zum Beispiel von Fremdbesatz und Keimfähigkeit erfüllt werden, die in der Saatgutverordnung definiert sind. Erst wenn alles passt, darf abgesackt, gekennzeichnet und das Z-Saatgut von den VO-Firmen als solches vermarktet werden.
Ist Biosaatgut gleich Biosaatgut?
Manche Saatgut-Unternehmen gehen über die gesetzlich vorgeschriebenen Saatgutuntersuchungen hinaus. Aus langjähriger Erfahrung im Ökolandbau ist bekannt, dass die Parameter aus der Saatgutverordnung für biologisch wirtschaftende Betriebe nicht immer ausreichen. Chemische Beizmittel stehen nicht zur Verfügung, die das Saatkorn in der Jugendentwicklung gegebenenfalls vor Krankheiten und Schädlingen schützen. Daher fordern einzelne VO-Firmen auf freiwilliger Basis zusätzliche Labor-Analysen an. Zu nennen ist in dem Zusammenhang der Kalttest. Hier wird die Keimfähigkeit bei zehn Grad Celsius in Ackererde geprüft – im Gegensatz zur normalen Keimfähigkeit, die bei 20 Grad Celsius in Sand oder auf Papier durchgeführt wird. Die Keimfähigkeit unter Kalttestbedingungen bildet viel realer die Praxisbedingungen ab und gibt Rückschlüsse auf das spätere tatsächliche Keimverhalten im Acker. Bei einigen Arten ist die Triebkraft, die angibt, wie sich die Pflanzen nach der Keimung weiterentwickeln, eine entscheidende, aufschlussreiche Kennzahl. Eine Untersuchung auf Steinbrand- beziehungsweise Zwergsteinbrandsporen ist eine weitere für Ökoweizen und Dinkel unerlässliche Untersuchung, die nicht standardmäßig bei jedem Saatgut durchgeführt wird. Bezüglich dieser zusätzlichen freiwilligen Untersuchungen empfiehlt es sich, beim jeweiligen Anbieter nach dessen Qualitätsmanagement zu fragen.
Nachbau – eine günstige Alternative?
Nachbau darf nur von der Ernte aus dem eigenen Betrieb und auch nur von bestimmten Kulturen betrieben werden. Im Sortenschutzgesetz ist dies allgemein geregelt. Ist in der Anlage die Art hier nicht aufgeführt, darf diese nur in Form von Z-Saatgut ausgesät werden (dies gilt zum Beispiel für Soja oder auch Rotklee). In den seltensten Fällen wird dem Nachbau dieselbe Aufmerksamkeit geschenkt wie einem Vermehrungsbestand, was Feldbereinigung, Reinigung der Erntetechnik und entsprechende Aufbereitung angeht. Darüber hinaus birgt Nachbau die Gefahr, dass der Feldaufgang und die Entwicklung des weiteren Pflanzenbestandes nicht zufriedenstellend sind, weil das Saatgut nicht geprüft und untersucht wurde. Es wird daher immer empfohlen, den eigenen Nachbau untersuchen zu lassen: eine Keimprobe sollte Standard sein und ein Nachbau von Weizen oder Dinkel ohne vorher auf Steinbrandsporen untersuchen zu lassen, kann als fahrlässig angesehen werden.
Da jede Sorte mit ihren spezifischen Eigenschaften Eigentum des Züchters ist, ist beim Nachbau eine Lizenz an den Züchter zu entrichten. Diese Gebühren werden über die Saatgut-Treuhand abgewickelt. Auskunftspflichtig sind grundsätzlich alle Landwirt*innen, die dazu aufgefordert wurden. Wer jedoch unter dem – je nach Bundesland festgelegten – gesetzlichen Flächengrenzwert liegt, kann sich von der Zahlungspflicht befreien lassen.
Kurz zusammengefasst
Unabhängig davon, woher das Saatgut stammt: Als Landwirt*in sollte man nur Saatgut aussäen, das gesund ist. Dann ist der Grundstein für eine gute Ernte gelegt. Wer zu ökologischem ZSaatgut greift, bekommt Qualität und Sicherheit. Wer Sorten nachbaut, sollte dabei einiges, wie zum Beispiel Untersuchungen, beachten.
Annegret Schrade,
Beratung für Naturland