Fachartikel

Saatgut aus dem Norden

Ein Betriebsporträt der BIOTOPP 4/21

Astrid und Jörg Hansen bewirtschaften ihren rund 280 Hektar großen Hof dort, wo andere Urlaub machen: nahe Grömitz, unweit der Ostseeküste. Sie ackern schon lange viehlos und sind auf die Erzeugung von Saatgut spezialisiert.

Astrids Vater stellte den Hof 1989 auf die ökologische Landwirtschaft um. Er war Rechtsanwalt und hatte einen Betriebsleiter angestellt, lenkte die Geschicke des Hofes aber stets. Seine Kinder lernten die Landwirtschaft kennen, was bei der ältesten Tochter Astrid zum Studium der Ökologischen Agrarwissenschaften in Witzenhausen führte, wo sie ihren Mann Jörg kennenlernte.

Die beiden übernahmen den Hof 2004 und bauten den schon bestehenden Betriebszweig der Saatguterzeugung weiter aus. Mitte der 90er-Jahre entwickelte Astrids Vater diese Idee der Spezialisierung, vor allem weil es beim Winterweizen aufgrund der langsamen Erwärmung der Böden schwierig war, Backqualitäten zu erzeugen, aber auch, um ganzjährig Arbeit für die Angestellten zu haben. Er baute ein Getreidelager und erwarb Maschinen zum Reinigen des Saatguts von einem Betrieb, der die Aufbereitung von Getreide zu dieser Zeit einstellte. Seither ist die Aufbereitungsanlage ständig erweitert und verbessert worden. Sie ist Jörg Hansens Reich. Der technikaffine Landwirt tüftelt ständig an ihrer Optimierung. Aus damals vier bis fünf vermehrten Sorten sind inzwischen 15 bis 20 geworden: darunter beispielsweise Winter- und Sommerweizen zur Back- und Futternutzung, Hafer, Winter- und Sommergerste, Winterroggen, Winter- und Sommertriticale, Dinkel, Ackerbohne und Rotklee.

Astrid und Jörg Hansen haben ihren Betrieb voll auf die Saatguterzeugung ausgerichtet.

Foto: Hella Hansen

Win-win in der Vermarktung

Bis vor drei Jahren vermarktete das Ehepaar das Saatgut selbst, seit 2018 läuft das über die Marktgesellschaft der Naturland Bauern AG. „Unsere Kernkompetenz ist die Landwirtschaft und zu der bin ich durch die Zusammenarbeit ein Stück zurückgekehrt“, sagt Astrid Hansen und ergänzt: „Es tut gut, in einem Team mit vielen Möglichkeiten zu arbeiten. Um Marketing, Logistik und Rechnungsstellung kümmert sich jetzt vor allem die Marktgesellschaft. Meine Kunden betreue ich nun mit größerem Angebot weiter.“ Eine Win-win-Situation: Denn die Marktgesellschaft ist im Süden ansässig, hat den Hof Hansen quasi als neuen Standort im Norden. Auch weil mit der Marktgesellschaft der Bereich der potenziellen Abnehmer noch mal stark gewachsen ist, sind die Hansens zufrieden mit diesem Schritt.

Ackerbaulich ist auf dem Hof auch alles auf die Saatguterzeugung ausgerichtet. „Wir müssen die Bestände sauber halten, um die Feldanerkennung zu bekommen“, sagt Astrid Hansen. Die Vorgabe: kein Durchwuchs aus dem Vorjahr und wenig Beikräuter. Das schaffen sie mit ackerbaulichen Maßnahmen wie beispielsweise dem zweijährigen Anbau von Kleegras. „Nach der Ernte bearbeiten wir die Stoppelfelder flach und ganzflächig schneidend gegen Distel, Ampfer und Quecke“, erklärt Jörg Hansen weitere Maßnahmen. „Damit kein Ausfallgetreide in der folgenden Kultur mit aufwächst, werden die meisten Flächen gepflügt. Bei der Feldhygiene müssen wir sehr konsequent sein. Unser Ziel ist die Etablierung von wachstumskräftigen, dichten Beständen, sodass keine weiteren Pflegemaßnahmen nach der Aussaat nötig sind“, so Hansen weiter.

Die hohen Anforderungen an die Saatgutqualität machen eine konsequente Sorgfalt vom Acker über die Ernte und das Lager bis zur Reinigung notwendig, um Verunreinigungen und Beschädigungen des Getreides zu vermeiden. Zum Beispiel müssen die Hansens als Saatguterzeuger einen Mindestabstand zum Nebenfeld einhalten. Bei Ackerbohnen sind es 50 Meter; bei Roggen, der ein Fremdbestäuber ist, sogar 500. Eine gute Dokumentation und die Untersuchung auf samenbürtige Krankheiten ist unerlässlich. Sämaschine, Mähdrescher, Anhänger, Läger: Alles wird nach einem Wechsel zu einer anderen Sorte penibel gereinigt, damit es nicht zu Verunreinigungen kommt. In kleinem Umfang reinigen die Hansens Backgetreide und schälen Dinkel, auch als Dienstleistung für Nachbarbetriebe. Nicht als Saatgut anerkannte oder abgesetzte Partien werden als Speise- oder Futtergetreide vermarktet und das Kleinkorn aus der Saatgutaufbereitung geht zur Verfütterung an benachbarte Tierhalter.

Der Klimaveränderung begegnen

Das Ehepaar spürt auch an der Ostseeküste die Klimaveränderung durch längere Hitze- oder Regenperioden und seltenere Frosttage und sie machen sich viele Gedanken, wie sie damit umgehen.

„Wir müssen flexibler reagieren und viel genauer gucken als früher, welche Bearbeitung passt“, sagt Astrid Hansen. Da kommen viele Fragen auf: „Wie tief wollen wir arbeiten? Müssen wir pflügen oder geht es ohne? Wenn wir nicht pflügen – mit welchen Maßnahmen bekommen wir dann gute Bestände?“ Das Ehepaar will in Zukunft versuchen, den Pflug möglichst wenig einzusetzen. Eine Winterfurche machen sie schon lange nicht mehr und säen Untersaaten und Zwischenfrüchte, um den Boden lange zu begrünen und gut zu durchwurzeln.

„Wenn Pflügen nötig ist, machen wir das bei Sommerungen nur noch im Frühjahr direkt vor der Aussaat“, erklärt Astrid Hansen. „Wir haben uns geschworen, nie wieder auf einen nassen Acker zu fahren“, ergänzt sie. „Jeder faule Kompromiss rächt sich, ggf. noch über Jahre.“ Auf manchen Flächen experimentieren die Hansens auch mit pflugloser Bearbeitung: Dann grubbern sie zum Umbruch von Kleegras und vor der Aussaat der Ackerbohnen flach und ganzflächig schneidend. Vor der jeweils darauf folgenden Saat lockern sie die festen Böden nochmals tiefer und mischend. Der Zinkenstriegel ist für sie keine Alternative in der Beikrautregulierung. Auf den relativ schweren Böden ist das Zeitfenster zum Striegeln kurz und das Wintergetreide ist durch die von Niederschlägen verkrustete Oberfläche kaum striegelfähig.

Betriebsspiegel

Betrieb Hof Hansen in 23730 Bentfeld
(bei Grömitz)

Betriebsleiter:
Astrid und Jörg Hansen

Betriebsgröße:
280 ha Ackerfläche
6 ha Grünland
6 ha Landschaftselemente, verteilt auf drei Standorte in Bentfeld, Großenbrode und Fehmarn

Höhenlage:
0–40 m

Böden/Bodenpunkte:
zwischen 55 und 80; östliches Hügelland, sandiger Lehm bis toniger Lehm

Niederschläge Ø:
630 mm mit meist feuchten Wintern und Frühsommertrockenheit

Arbeitskräfte:
1 fester Mitarbeitender
1 Erntehelfender
1 Auszubildender

Anbau:
6-gliedrige Fruchtfolge
2-jähriges Kleegras
Winter- oder Sommerweizen
Wintergerste oder
Dinkel mit anschließender Zwischenfrucht
Ackerbohnen oder
Hafer mit Untersaat
Triticale
Roggen
Sommergerste

Tierhaltung:
3 Muttersauen mit Nachzucht
Futter: viehloser Ackerbau
Futter-Mist-Kooperation mit Nachbarbetrieb

Vermarktung:
Saatgut und aberkannte oder nicht abgesetzte Saatgutpartien über Marktgesellschaft der Naturland Bauern AG
Kleinkorn an benachbarte Betriebe

Versuch macht klug

So passen die Hansens die Bearbeitung und Fruchtfolge auf den einzelnen Feldern immer wieder an den Mix der herrschenden Bedingungen an. Kein Wunder, dass das Ehepaar gleich in zwei  Demonstrationsnetzwerken mitarbeitet. Im Demonstrationsnetzwerk Erbse/Bohne, in dem es um Körnerleguminosen geht, und im Demonet-KleeLuzPlus, in dem kleinkörnige Leguminosen im Mittelpunkt stehen. Beide Netzwerke wollen Anbau und Verwertung von heimischen Eiweißträgern fördern und erweitern.

„Wir machen gerne in solchen Netzwerken mit, um unsere Beobachtungen zu teilen und Wissen zu erweitern.“

Der Hof Hansen ist Demobetrieb von zwei  Demonstrationsnetzwerken

„Durch die Demonstrationsparzellen, die wir anlegen, werden wir immer ein Stück schlauer. In diesem Jahr waren es beispielsweise Sortendemonstrationen, Saatstärken- und Untersaatvarianten in Ackerbohnen und verschiedene Kräutermischungen im Kleegras. Wir bekommen Unterstützung bei der Anlage und Auswertung der Praxisversuche, die forschenden Mitarbeitenden aus den Projekten können die bei uns erhobenen Daten auswerten: ein Gewinn für beide“, erläutert Jörg Hansen.

Drei Standorte managen

Eine Besonderheit beim Hof Hansen sind drei verschiedene Standorte, für die das Ehepaar mitdenken muss. Um die Hofstelle in Bentfeld herum bewirtschaften sie 165 Hektar, in Großenbrode vor Fehmarn 35 Hektar und auf der Insel Fehmarn 80 Hektar. Standort Nummer drei auf Fehmarn kam 2012 hinzu. Mitte Juli bekamen die beiden die Bewirtschaftung von 80 Hektar angeboten, biologisch bewirtschaftet, da der Vorpächter kurzfristig aufhören wollte. Nach nur zwei Wochen war alles durchkalkuliert, der Vertrag unterschrieben.

„Das war eine aufregende Zeit“, erinnert sich Astrid Hansen – und bot eine große Chance. Die Entscheidung musste schnell fallen, damit die Biozertifizierung nicht verloren geht. Fehmarn ist 50 Kilometer von der Hofstelle an der Lübecker Bucht entfernt. „Wir müssen nicht nur die Bestände hier und dort im Auge behalten, sondern auch den ganzen Maschinenpark so planen, dass wir ihn für beide Standorte nutzen können“, erklärt Jörg Hansen. Immerhin hatten sie schon die Erfahrung, dass es mit einem weiteren Standort klappen kann durch die Flächen in Großenbrode, die seit 2002 zum Hof gehören. „Wir betrachten jedes Feld individuell und trotzdem muss das Ganze zusammenkommen und einen sinnvollen Ablauf ergeben“, sagt Astrid Hansen und ergänzt: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht mehr Zeit auf der Straße verbringen als auf dem Acker.“ Dennoch haben die verschiedenen Standorte auch Vorteile: Es gibt in Bentfeld feuchte Senken, Kuppen, die sehr tonig sind, auf Fehmarn sehr ebene, arrondierte Flächen, allerdings mit hohem Fuchsschwanzdruck. So hat alles seine Vorteile, aber auch Schwierigkeiten.

Wissen teilen und vermehren. Das gefällt dem Ehepaar.

Foto: Hella Hansen

Kleegras gegen Mist

Als reiner Ackerbaubetrieb mulchten Astrid und Jörg Hansen ihr Kleegras bis 2014, das sie zu circa einem Drittel auf ihrer Ackerfläche anbauen. Um den Stickstoff aus den Feinleguminosen noch effizienter zu nutzen, haben die beiden eine Kooperation mit einem benachbarten konventionellen Milchviehbetrieb vereinbart, der von ihnen Futter bekommt, die Hansens Mist vom Jungvieh.

Gerne hätte das Ehepaar mit dem nächsten Biobetrieb zusammengearbeitet. Aber der ist mit zwölf Kilometern für Transporte weit entfernt und hatte keinen Bedarf an zusätzlichem Futter. Die Zusammenarbeit mit dem Nachbarbetrieb funktioniert hervorragend und führte dazu, dass dieser den hohen Futterwert des Kleegrases kennenlernte.

Lange Saison

Nach der Ernte geht die Arbeit auf dem Hof Hansen noch bis März in der Saatgutaufbereitung weiter. Sie haben eine eigene Durchlauftrocknung, Lager in Flachsilos und Trichterzellen und eine Saatgutreinigung mit Siebkasten, Trieuren und Taumelsieb. Dann geht das Saatgut auf die Reise zu den Kunden. Einige holen es sogar selbst ab und halten noch einen kurzen Schnack. Der Kreislauf auf dem Hof Hansen beginnt mit der eigenen Aussaat wieder von Neuem: mit immer neuen Ideen von dem betriebsleitenden Ehepaar, wie sie ihre Wirtschaftsweise am besten an Klima, Boden und Vermarktung anpassen.

Hella Hansen
FiBL Deutschland

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