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Beim Öko-Z-Saatgut gibt es keine Kompromisse

Bio boomt, und das nicht nur beim Verbraucher. Auch viele Landwirte schließen sich diesem Trend an und stellen ihre Betriebe auf ökologischen Landbau um. Diese Entwicklung hat für alle Prozessbeteiligten weitreichende Konsequenzen. Das fängt schon bei der Bereitstellung von hochwertigem Öko-Z-Saatgut an. Das ist keine leichte Aufgabe, denn die Qualitätsansprüche sind gegenüber konventionellem Saatgut nochmals höher. Ein Beispiel aus Norddeutschland.

Der 1991 gegründete Erzeugerzusammenschluss (EZG) Öko-Korn-Nord in Nord-Ost Niedersachsen (Kasten) hat aktuell über 100 aktive Mitglieder, die ihr Getreide und ihre Leguminosen über die EZG gemeinsam vermarkten. Gleichzeitig zählt Öko-Korn-Nord zu den größten und bedeutendsten Aufbereitern und Vermarktern von Bio-Z-Saatgut in Deutschland.

Als reines Bio-Unternehmen fühlt sich die EZG dem ökologischen Landbau verpflichtet und fördert ihn aktiv. Der wirtschaftliche Verein (w.V.) versteht sich als eine von Landwirten gesteuerte, bäuerliche Selbsthilfeeinrichtung im besten genossenschaftlichen Sinne. Dass die im Leitbild formulierten Wertevorstellungen wie soziale Verantwortung, Zukunftsfähigkeit oder Nachhaltigkeit nicht nur ein Lippenbekenntnis sind, erkennt man bereits beim ersten Kontakt mit den engagierten Mitarbeitern. Der Leiter der Saatgutabteilung, Folkert Höfer, ist bereits seit 2001 im Unternehmen und scheint die Philosophie der Firma verinnerlicht zu haben.

Das gleiche gilt für Hans-Hermann Moritz. Der gelernte Landwirt arbeitet seit 2004 bei Öko-Korn-Nord und ist als Betriebsleiter der Saatgutanlage in Uelzen ein unverzichtbarer Ansprechpartner und Ratgeber für die Biobauern der Region. Er spricht auch schon mal Klartext, wenn es kritische Nachfragen z.B. bei der Reinigung und Aufbereitung des angelieferten Rohstoffs wegen zu hoher Abgänge gibt. „Aus schlechten Qualitäten kann ich nicht Gold machen“, bringt es Moritz auf den Punkt.

Um die Effektivität der eigentlichen Saatgutaufbereitung zu erhöhen und die Qualitäten zu verbessern verfährt er nach der Devise, schon bei der Vorreinigung des angelieferten Saatgetreides „richtig Gas zu geben“, um z.B. unerwünschte Bestandteile wie Schmachtkorn oder Unkrautsamen frühzeitig auszusortieren. „Am Anfang darf man nicht feige sein“, weiß Moritz.

Saatgutexperten unter sich (v.l.n.r.):
Der Vermehrer und Biobauer Jürgen Cordes stimmt sich von der Planung bis zur Ernte seiner Vermehrungsvorhaben immer eng mit dem Leiter Saatgut bei der Öko-Korn-Nord, Folkert Höfer, bzw. mit Hans-Hermann Moritz, Lag

Foto: TextTour

Lagerleiter Hans-Hermann Moritz achtet im Aufbereitungsprozess streng darauf, dass das Saatgut sortenrein erfasst wird. Aus diesem Grund werden in Uelzen statt Trogkettenförderer nur Gummibänder zum waagerechten Transport verwendet.

Foto: TextTour

Risiken frühzeitig minimieren

Diese klare Ansprache kommt bei den Mitgliedern der EZG an. Beispiel Jürgen Cordes: Der Biobauer leitet in Mechtersen bei Lüneburg einen 140 ha großen Marktfruchtbetrieb, den er 2017 auf ökologische Wirtschaftsweise umgestellt hat. Er hat sich auf seinen leichten und nicht beregnungsfähigen Böden mit 18 bis 30 Bodenpunkten nahezu voll und ganz auf die Vermehrung von Getreide und Körnerleguminosen für Öko-Korn-Nord und von Grassamen und Buchweizen für die Deutsche Saatveredlung (DSV) konzentriert. Wichtig sind ihm auch andere Kulturen wie die Blaue Lupine, Sommerroggen oder Buchweizen, die mit wenig Wasser in der Vegetationszeit auskommen. „Die Qualität passt in der Regel dennoch“, bilanziert der 56-jährige Landwirt, der hauptsächlich Wintergerste, Winterweizen, Dinkel, Winterroggen und Ackerbohnen vermehrt.

Im Durchschnitt kommt Cordes auf Naturalerträge von 3,5 t/ha bei Saat-Getreide und 2 t/ha bei Saat-Lupinen. Damit ist er zufrieden, zumal er eine sehr hohe Anerkennungsquote von etwa 90 % aufweisen kann, wie der Biobauer bei einem Treffen bei Öko-Korn-Nord in Uelzen berichtet. Dieser Top-Wert fällt ihm aber nicht in den Schoß. Er scheut sich nicht, regelmäßig und mit wachem Auge durch seine Vermehrungsbestände zu gehen und unerwünschte oder artfremde Aufwüchse wie z.B. Flughafer frühzeitig zu eliminieren. „Das kostet Zeit, muss aber sein“, begründet Cordes seine Sorgfalt, denn ein Korn Flughafer gilt bereits als Aberkennungsgrund für eine Partie.

Und er nennt zwei weitere Gründe für seine hohe Anerkennungsquote: frühzeitiges Minimieren möglicher Aberkennungsrisiken und strenge Hygiene. So werden in der Ernte Mähdrescher und Transportfahrzeuge gründlich gereinigt, wenn sie von einem Schlag zum anderen wechseln. „Die Maschinen müssen absolut sauber sein, das klappt nur mit Druckluft und einem leistungsstarken Staubsauger“, sagt er. Den eigenen Mähdrescher stellt er auf dem Feld „nicht zu scharf“ ein. Cordes vertraut darauf, dass die Reinigung bei Öko-Korn-Nord schonender und effektiver arbeitet.

Der Gewichtsausleser ist Pflicht bei der Aufbereitung von Öko-Saatgut. Durch Einstellung der Hubgeschwindigkeit, der Luftmenge und/oder der Längs- und Querneigung des Tisches kann Hans-Hermann Moritz das Erntegut in die gewünschten Fraktionen trennen.

Foto: TextTour

Erster reiner Öko-Saatguterzeuger

Die über 100 Mitgliedsbetriebe spiegeln die ganze Bandbreite der Landwirtschaft wider. Die Vermehrungsflächen pro Betrieb und Jahr reichen von 7 ha bis über 100 ha. Öko-Korn-Nord war bundesweit von 2003 bis vor wenigen Jahren der einzige reine Öko-Saatguterzeuger, dem der VO-Status von den Züchtern übertragen wurde. Neben der Vermehrung generiert die EZG mit der Lagerung und dem Handel von Öko-Konsum- und Futtergetreide einen beträchtlichen Teil des Gesamtumsatzes. Auch der Abgang aus der Reinigung und Aufbereitung des Saatgutes – etwa 20 % der Gesamtmenge – wird laut Höfer als Futtergetreide bestmöglich vermarktet.

Mitgliedsbetriebe haben zudem eine Abnahme- und Lagergarantie bei gleichzeitiger Andienungspflicht. „Durch unsere aktive, marktgerechte Anbausteuerung haben unsere Kunden eine große betriebliche Sicherheit“, ergänzt Folkert Höfer, der neben seinem Fulltime-Job bei der EZG auch noch eine kleine Nebenerwerbslandwirtschaft in Ostwestfalen-Lippe betreibt und so den „direkten Draht zur Praxis“ hat.

Den Saatgutwechsel bei den Biobauern schätzt der Experte deutlich höher ein als bei der konventionellen Landwirtschaft, wo er aktuell rund 60 % beträgt. In diesem Zusammenhang stellt Höfer klar, dass für den Nachbau gewisse Spielregeln einzuhalten seien. Seinen Angaben zufolge zählt u.a. dazu, über die Nachbaugebühren dem Züchter einen fairen Anteil für seine Züchtungsarbeit zukommen zu lassen. Auch stünden Bio-Bauern in der Eigenverantwortung, das Saatgut reinigen und auf samenbürtige Krankheiten untersuchen zu lassen sowie die Bestände intensiv auf Fremdbesatz zu kontrollieren.

Jürgen Cordes ist kein großer Fan vom Nachbau. „Mein Saatgutwechsel liegt bei knapp 100 %, das stelle ich auch nicht in Frage“, ist der 56-jährige Landwirt überzeugt. Damit steht er stellvertretend für viele Ökobauern. Das Problem im Ökolandbau sei zum einen, wer die Reinigung durchführen darf – Stichwort Zertifizierung –, und zum anderen der notwendige höhere Reinigungsgrad. „Da im Biobereich chemische Herbizide verboten sind und zur Beikrautbekämpfung nur die Mechanik bleibt, müssen wir zwangsläufig mit einem höheren Unkrautsamenbesatz im Erntegut leben“, zeigt Cordes die Problematik auf. Diese unerwünschten Bestandteile müssten natürlich wieder herausgereinigt werden. Hans-Hermann Moritz formuliert die hohen Ansprüche an die Qualität von Öko-Z-Saatgut so: „Unser Ausgangsmaterial kann nicht so sauber sein wie konventionell erzeugtes Saatgut, das Endprodukt muss aber sauberer sein.“

Die Bioland-Landwirte Jürgen Cordes und sein Sohn Moritz aus Mechtersen sind mit Leib und Seele Vermehrer von Bio-Z-Saatgut. In diesem Jahr wird u.a. auch die Winterroggensorte Amilo – ein Populationsroggen – für die Öko-Korn-Nord vermehrt.

Foto: Meike Cordes

Eigenes Rabattsystem schafft Anreize

Um den Absatz des Premium-Saatguts anzukurbeln, setzt die Öko-Korn-Nord bei ihren Mitgliedsbetrieben finanzielle Anreize durch die Gewährung von attraktiven Rabatten. Betriebe, die bei der EZG Z-Saatgut für die Produktion von Konsumgetreide zukaufen, erhalten sogar eine zusätzliche Rückvergütung. „Damit unterstützen wir die eigene Saatgutvermehrung und verstärken den Anreiz bei den Ökobauern, bestes Z-Saatgut von uns zu kaufen und damit den Grundstein für die Erzeugung von hochwertigem Getreide zu legen“, erklärt Höfer.

Sehr wichtig ist für ihn die Vorgabe, gesundes Getreide abzuliefern. Kein leichtes Unterfangen, denn die Ökobauern dürfen keine Fungizide einsetzen, um Pilzbefall – z. B. Fusarium – und die Bildung von Mykotoxinen zu verhindern. Da ein Befall auf dem Feld nicht mehr zu kontrollieren sei, komme es gerade im Ökolandbau darauf an, nur gesundes, geprüftes und zertifiziertes Saatgut einzusetzen, das garantiert nicht mit Erregern kontaminiert ist. Das sei insofern wichtig, da auch chemische Beizen im Ökolandbau tabu sind. Um diese Vorgabe abzusichern, werden Proben vom angelieferten Getreidesaatgut in Fremdlaboren auf Befall mit samenbürtigen Krankheitserregern wie z.B. Gerstenflugbrand oder Steinbrand untersucht. „Wenn einzelne Partien die geforderte Norm nicht einhalten, werden sie nicht als Saatgut vermarktet“, versichert Höfer.
Um solche Szenarien von vornherein zu verhindern, erfolgt in Absprache mit den Bauern bereits eine sorgfältige Flächenauswahl für die Vermehrungsvorhaben. Gleichwohl müssen die Züchter zusichern, dass das ungebeizte Basissaatgut untersucht wurde und die Grenzwerte einhält. In diesem Zusammenhang wies Höfer darauf hin, dass die Öko-Getreidezüchter es selbst in der Hand hätten, solche Risiken zu begrenzen. Sie würden sich deshalb intensiv mit der genetischen Resistenz gegen samenbürtige Krankheitserreger beschäftigen, so der Experte. Bei der EZG würden anfälligere Sorten konsequent vom Anbau ausgeschlossen.

Die Öko-Korn-Nord ist ein zertifizierter Aufbereiter. 80 % der über 100 Mitglieder der EZG gehören dem Bioland-Verband an.

Foto: TextTour

Kunden stellen hohe Ansprüche

Höfer stellte klar, dass im Ökolandbau die gleichen Normen für die Saatenanerkennung gelten wie im konventionellen Anbau: „Wir haben zwar in der Tendenz einen höheren Besatz z.B. an Samen anderer Pflanzen- oder Getreidearten, aber bei der Anerkennung kriegen wir keine Extrawurst.“ Im Gegenteil, die Kunden von Öko-Korn-Nord erwarten seiner Erfahrung nach eine höhere Qualität als es die Norm vorschreibt. „Schon wenige Wickensamen führen im Ökolandbau zu unkontrollierbarer Vermehrung“, weiß Höfer.

Etliche Kunden bestehen sogar darauf, nicht nur Öko-Saatgut bei der EZG einzukaufen, sondern Saatgut zu verwenden, was auch dort aufbereitet worden ist“, präzisiert der Leiter Saatgut. Das klappe in der Regel auch, denn von dem gesamten verkauften Getreide-Z-Saatgut werden in Uelzen rund 80 % selbst aufbereitet. Der Rest ist Zukauf von bereits anerkanntem Saatgut. „Das Urteil der Kunden stufen wir wie einen Ritterschlag ein“, merkt Höfer stolz an.

Das Vertrauen der Kunden hat auch noch einen anderen Grund. So legt die Öko-Korn-Nord nach Aussage von Hans-Hermann Moritz großen Wert auf eine starke, aber sehr schonende, mehrstufige Reinigung des Saatguts mit Entgranner, Siebreiniger, Trieur und Gewichtsausleser. Auch der Transport des Getreides von der Annahme bis zur Zelle ist darauf ausgerichtet, das einzelne Korn nicht zu verletzen. Statt der üblichen Elevatoren kommen in Uelzen Pendelbecherwerke zum Einsatz. Dadurch kann der Verlust an Keimfähigkeit – insbesondere bei den sensiblen Körnerleguminosen – deutlich gesenkt werden.

Und statt der üblichen Trogkettenförderer werden zum waagerechten Transport bewusst nur Gummibänder eingesetzt, die die gereinigte Ware z.B. in die Zellen verfrachten. „Die lassen sich bei einem Artenwechsel viel besser reinigen als Trogkettenförderer und garantieren eine 100 %ige Reinheit der Partie“, begründet der Lagerleiter die Entscheidung.

Wenn es doch mal zu Reklamationen kommt, sei die Öko-Korn-Nord jederzeit in der Lage, die Ursache durch eine Durchsicht der Rückstellmuster nachzuverfolgen und aufzuklären. „Wir ziehen von der Anlieferung bis zur Aufbereitung mehrere Proben. Das gibt uns die nötige Sicherheit, alle Fragen zu beantworten“, meint der 56-Jährige.

Vermehrung muss sich lohnen

Die Mitgliedsbetriebe schätzen diese hohe Qualität. Doch rechnen muss sich der höhere Aufwand auch für die Ökobauern. Die Saatgutvermehrer erhalten von Öko-Korn-Nord nach der Ablieferung einen Grundpreis, der sich in seiner Höhe an den aktuellen Marktpreisen orientiert. Konventionelle Vermehrer erhalten laut Höfer üblicherweise einen Aufschlag von 2,00 bis 2,50 €/dt. Öko-Korn-Nord zahle dagegen einen attraktiven Vermehrungsaufschlag, der deutlich über diesem Wert liege. Dies sei auch vertretbar, weil im Ökolandbau aufgrund des Verzichts auf mineralischen Stickstoff im Mittel nicht 70 bis 80 dt/ha, sondern nur 35 bis 40 dt/ha geerntet würden. Zusätzlich gebe es noch einen qualitätsabhängigen Zu- oder Abschlag.

Höhere Kosten entstehen auch durch die im Vergleich zu Z-Saatgut höheren Einkaufspreise für Basissaatgut. Weiterhin werden die Aussaatmengen im Biosegment im Vergleich zum konventionellen Landbau um etwa 10 % erhöht, was die Kosten weiter nach oben treibt. Diese Positionen sollen laut Höfer bei Öko-Korn-Nord mit einem Vermehrungsaufschlag ausgeglichen werden. „Wir möchten, dass die Landwirte trotz des höheren Aufwandes dabeibleiben und dass sich die Vermehrung für alle lohnt“, sagt er. Klar sei aber, dass der preisliche Aufschlag nur bei erfolgreicher Anerkennung gezahlt werde. „Das Anerkennungsrisiko liegt daher beim Landwirt, das anschließende Vermarktungsrisiko bei der Öko-Korn-Nord“, ordnet Höfer die Chancen und Risiken beiden Parteien zu.

TextTour

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