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Hier hat alles Hand und Fuß
Wie so viele Gespräche in diesem Jahr beginnt auch dieses mit der Frage nach Corona. „Ach“, schmunzelt Alexander Mauer, „das hat sich bei uns im Pflanzenbau gar nicht so sehr ausgewirkt. Wir haben auf die Abstands- und Hygieneregeln geachtet und Besprechungen im großen Kreis abgehalten.“ Deutlicher gemerkt habe man die pandemiebedingten Veränderungen im Schwesterbetrieb, der Landfleischerei: „In den 26 Filialen war die Nachfrage anfangs spürbar gestiegen. Die Verarbeitung lief auf Hochtouren. Plötzlich mussten ja mehr Leute und Familien zuhause für das tägliche Mittagessen sorgen.“
Alexander Mauer ist seit Frühjahr 2017 Leiter des Pflanzenbaus im Torney Unternehmensverbund (Kasten). Schon der Name Torney – entlehnt von einem kleinen Bach, der sich durchs Betriebsgelände schlängelt – soll daran erinnern, dass es neben der Erzeugung von hochwertigen Nahrungsmitteln immer auch um die Natur und die Region geht, in der produziert wird. Der Sitz der Unternehmensgruppe liegt nahe der Kleinstadt Altentreptow in landschaftlich reizvoller Umgebung.
Was Urlauber freut, ist für Alexander Mauer allerdings eine Herausforderung: Sölle und Gehölzgruppen zersplittern die Schläge, die Ackerzahlen schwanken zwischen 30 und 50 munter hin und her. Vielfältig sind in Pripsleben deswegen nicht nur die Betriebsstruktur und die Landschaft, sondern auch die Fruchtfolgen.
Vielfalt auf dem Acker
Mit acht Gliedern – Weizen, Gerste, Roggen, Kartoffeln, Erbsen, Zuckerrüben, Mais und Raps – erfüllt der Betrieb locker die Vorgaben des Förderprogrammes „Vielfältige Kulturen im Ackerbau“, an denen das Unternehmen seit 2018 teilnimmt. Dem geforderten Anbau von großkörnigen Leguminosen entspricht man z.B. mit 100 Hektar (ha) Erbsen, die nach Golßen/Brandenburg in die Stärkefabrik der Emsland Group gehen. „Die Erbsen haben immer gut funktioniert“, erinnert sich Mauer beim Feldrundgang: „auch dieses Jahr werden wir wohl zwischen vier und fünf Tonnen vom Feld holen.“
Sollten die Erträge dennoch einmal schwanken, erleichtert die Emsland Group die Anbauentscheidung mit einem Dreijahresvertrag und einem soliden Preis. „Der Ertrag, zusammen mit der Förderung, dem Dreijahresvertrag und dem Vorfruchtwert – da kann die Erbse locker mit anderen Kulturen mithalten“, resümiert Mauer. „Sie steht bei uns oft nach Mais oder Zuckerrübe, dadurch muss kein Weizen mehr unter oft nassen Bedingungen nach der Rüben- oder Maisernte ‚reingeschmiert‘ werden.“
Auch Raps findet sich in der Pripslebener Fruchtfolge. Zwar hat Mauer den Anbauanteil aufgrund der Schwierigkeiten der vergangenen Jahre zurückgefahren. Doch er will ihn im Anbaumix halten: „Wir haben jetzt um die 25 Prozent Raps in der Fruchtfolge und im vergangenen Jahr immerhin rund vier Tonnen geerntet.“
Das Getreide – Roggen, Weizen und Gerste – geht zum Teil ins Futter. Roggen, vor allem der Hybridroggen, ist für den Pflanzenbau-Chef eine besonders vorteilhafte Kultur: „In gewissen Anteilen passt er gut in die Futterrationen. Roggen ist anspruchsloser als Weizen und spart Betriebsmittel. Mit viel weniger Pflanzenschutz und Dünger ernte ich 80 bis 85 Dezitonnen. Auf den schwächeren Standorten passt er viel besser, außerdem braucht er weniger Wasser, auch das ist für mich ein Argument. Im Deckungsbeitrag ist er gleichauf mit Weizen.“
Apropos Deckungsbeitrag: Mauer schwört auf die Unbestechlichkeit der Zahlen. „Ich will wissen, wo die Kulturen stehen. Deshalb sind wir in einem Arbeitskreis mit 25 Vergleichsbetrieben und bekommen von der LMS Agrarberatung jedes Jahr eine Betriebszweiganalyse erstellt.“ So kann er die Effizienz jeder einzelnen Kultur, aber auch ihre Vorfruchtwirkungen objektiv einschätzen.
Zu den effizienten Kulturen zählt auch die Kartoffel. Erzeugt werden Pflanz- und Speisekartoffeln, die zum Teil in den eigenen Fleischereifilialen verkauft werden, sowie Vermehrungs- und sogar Stärkekartoffeln. Zum intensiven Kartoffelanbau auf 70 ha sagt Mauer: „Ich bin überzeugt, dass die Landwirtschaft künftig mehr Wertschöpfung von der gleichen Fläche holen muss. Das schaffen wir mit den Kartoffeln. Und sie passen natürlich perfekt in unser regionales Vermarktungskonzept.“ Zwar können sie nicht beregnen, Mauer schwört aber auf die All-in-one-Legemaschine: „Das Verfahren ist extrem wassersparend. Die Erträge geben uns recht.“
Der Torney Unternehmensverbund . . .
. . . ist ein Zusammenschluss aus drei Betrieben, der sich geschlossene Kreisläufe und regionales, verantwortungsvolles Arbeiten auf die Fahnen geschrieben hat. Der Verbund besteht aus
- der TORNEY Milch und Fleisch e.G.,
- der Torney Mutterkuh GmbH sowie
- der Torney Landfleischerei Pripsleben GmbH.
Letztere verarbeitet Mastrinder und -schweine zu Fleisch und Wurstwaren. Sitz der Unternehmensgruppe ist die Gemeinde Pripsleben in Mecklenburg-Vorpommern.
Foto: TextTour
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„Bei uns kommt nur Z-Saatgut in den Boden“
Angesichts der vielen Probleme, vor denen Ackerbauer heute stehen – seien es Verunkrautung, Resistenzen, Erosion oder Klimawandel – ist der junge Landwirt überzeugt, dass die Entscheidung für Vielfalt auf dem Feld richtig ist. „Mancherorts rächen sich jetzt die engen Fruchtfolgen der letzten Jahre. Einige dieser Probleme hatten wir hier nie. Und dank unserer Vielfalt haben wir immer einen Puffer, wenn eine Kultur mal ausfällt.“
Neben einer abwechslungsreichen Anbauplanung schwört Mauer auf den Nutzen hochwertigen Saat- und Pflanzgutes: „Bei uns kommt nur Z-Saatgut und Z-Pflanzgut in den Boden. So kann ich jedes Jahr zu 100 Prozent den züchterischen Fortschritt mitnehmen. Beispiel Getreide: Wir brauchen 60 bis 80 Tonnen Saatgut im Jahr und haben keine eigene Aufbereitung, da finde ich das nur folgerichtig.“ Natürlich bleiben Sorten, die sich bewährt haben, eine Weile im Anbau, immer aber probiert Mauer auch neue Sorten aus, um sie kennenzulernen.
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Vermehrung mit „Hand und Fuß“
Wenn jemand so viel Wert auf den Zuchtfortschritt legt, überrascht es nicht, dass er auch in der Vermehrung aktiv ist. So vermehrt Mauer gleich für mehrere Züchterhäuser Kartoffeln und für einen Züchter Weizen und Gerste – für ihn eine win-win-Situation: „Da kann ich gleich die neuen Kandidaten kennenlernen und schauen, ob sie bei mir passen.“ Im Nachbarort liegt ein Standort mit Landessortenversuchen, auch dort informiert er sich über interessante Neuzulassungen.
„Vermehrung passt wie die Faust aufs Auge bei unserer weiten Fruchtfolge“, ist Alexander Mauer überzeugt. Vielleicht würde er gern auch mal Vorstufen- zu Basissaatgut vermehren, sinniert er: „Also die ‚Hohe Schule‘. Aber das muss sich langsam entwickeln. Ich mache lieber wenige Dinge ordentlich als zuviele, und dann wird das nichts. Es muss schon alles Hand und Fuß haben.“
An den Bodenschutz herantasten
Sorgfältig und wohlüberlegt nähert sich Mauer derzeit einem weiteren wichtigen Thema: dem Bodenschutz. Denn die hügelige Landschaft im südlichen Mecklenburg-Vorpommern birgt Erosionsgefahren. Zwar ist die Niederschlagssumme im Normalfall mit etwa 520 Millimetern wirklich nicht hoch. Aber was ist schon normal in den letzten Jahren: Von 1.000 Litern im supernassen Jahr 2017 bis 340 im Dürrejahr 2018 war schon alles dabei.
Der Trend zu immer mehr Starkniederschläge verschärft das Problem. Also hat der junge Pflanzenbauleiter dieses Thema auf seine persönliche To-do-Liste gehoben: „Dieses Jahr steigen wir ins Strip Till-Verfahren ein, zunächst mit 30 ha Mais.“ Für den Einstieg hat sich der 29-Jährige ein ausgeklügeltes System überlegt: In einen im Spätsommer eingesäten Ackergrasbestand, der im Herbst und im Frühjahr einmal gemäht wurde, legte ein Lohnunternehmer zunächst ein Gülleband ab. Genau genommen sogar zwei Güllebänder, nämlich eines in zehn und das andere in 25 Zentimetern Tiefe. Wenig später wurde leicht versetzt zum Gülleband der Mais gelegt.
„Wir wollen uns erst einmal an das Verfahren herantasten. Das geht ja nicht von Null auf 100“, erklärt Mauer bei der Besichtigung des Schlages. Mit dem derzeitigen Zustand ist er richtig zufrieden: „Eigentlich bräuchten wir mehr Wasser – im so wichtigen Monat April fielen hier gerade einmal neun Liter – aber der Mais steht gut. Sicher wird er fünf bis zehn Dezitonnen weniger Ertrag bringen, aber ich muss ja die beiden Schnitte Ackergras mit anrechnen.“
In jedem Fall ist im Bereich der bodenschonenden Aussaatverfahren noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten, glaubt Mauer. Er weiß, wovon er spricht, hat sich doch der gebürtige Sachsen-Anhaltiner sowohl in seiner Bachelor- als auch Masterarbeit an der Uni Halle mit dem Bodenschutz und der Optimierung des Maschineneinsatzes beschäftigt. Das hat ihn gut auf die etwas schwierigen Bodenverhältnisse in Pripsleben vorbereitet: „Die Böden hier sind recht verdichtungsanfällig. Auf Luftbildern sieht man heute noch Fahrspuren aus der nassen Ernte 2017. Deshalb waren sie hier immer schon mit Zwillingsbereifung unterwegs. Heute haben wir das weiter perfektioniert, fahren zum Beispiel bei der Getreideernte nur mit dem Überladewagen aufs Feld.“
Viele Erfahrungen gesammelt
Erfahrungen sammeln und daraus lernen – das spielt in der Biografie des jungen Landwirtes immer wieder eine Rolle. Die Faszination dieses vielfältigen Berufes lernte er in einer von seinem Onkel geleiteten Agrargenossenschaft kennen. Während des Studiums und auch danach arbeitete er auf Betrieben im In- und Ausland, darunter in Rumänien, Lettland und Kanada. „Kurz hab ich nach dem Studium darüber nachgedacht, nach Rumänien auf einen 5.000-ha-Betrieb zu gehen. Aber ich wollte lieber ganz eigenverantwortlich arbeiten – und nicht als Verwalter nach strikten Vorgaben.“ So kam Mauer nach Pripsleben: „Hier hatte ich von Anfang an freie Hand. Aber wenn ich Fragen hatte, konnte ich die immer stellen, das war natürlich total wichtig, ich kannte ja die Gegend und die Bedingungen noch nicht.“
Neben der Eigenständigkeit hat ihm auch die Betriebsstruktur gefallen: „Knapp 1.600 ha Acker- und Grünlandfläche, Mutterkühe, Rinder- und Schweinemast, auf allen Dächern Solarpanele – das ist einfach ein komplett runder Betrieb. Und dazu kommt noch dieses vielfältige Vermarktungskonzept.“
Bei aller Freude über seinen jetzigen Arbeitsplatz ist Mauer doch auch dankbar für alle früheren Stationen seiner Ausbildung: „Selbst wenn es irgendwo nicht so gut war, dann habe ich doch zumindest gelernt, was man besser machen kann. Erfahrungen sind nie umsonst.“
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Der Betrieb in Zahlen
Pflanzenbau:
Bewirtschafte Fläche: 1.589 ha LN, darunter 1.336 ha Ackerland und 253 ha Grünland
Ackerzahl durchschnittlich 42
langjähriger Niederschlagsdurchschnitt 520 mm im Jahr
Anbau zur Ernte 2020 (Durchschnittserträge):
Winterweizen 465 ha (85 dt/ha)
Wintergerste 195 ha (75 dt/ha)
Winterroggen 50 ha
Winterraps 255 ha (40 dt/ha)
Zuckerrüben 65 ha (750 dt/ha)
Silomais 75 ha (400 dt/ha)
Erbsen 104 ha
Kartoffeln 70 ha (380 dt/ha)
Viehwirtschaft:
300 Mutterkühe mit Kälbern
254 Mastrinder
2.300 Mastschweineplätze
Technikausstattung u.a.:
5 Traktoren (80 – 370 PS)
2 Mähdrescher 10,7-m-Schneidwerk
2 Schwergrubber (4,00 m und 4,80 m Arbeitsbreite)
2 Drehpflüge (vier- bzw. siebenscharig) mit Packer
1 Zinkendrillmaschine (6 m Arbeitsbreite)
1 Anhängespritze
1 Düngerstreuer
1 Bunkerkartoffelroder (zweireihig)
1 All-in-one-Pflanzmaschine (vierreihig)
1 Überladewagen
Arbeitskräfte:
18 Beschäftigte in der Feld- und Tierproduktion, ein Auszubildender, entspricht 1,3 Beschäftigte auf 100 ha LN
Den Graben zwischen Landwirt und Verbraucher schließen
Mit ähnlicher Leidenschaft, mit der Alexander Mauer den Pflanzenbau im Betriebsverbund managt, widmet er sich auch dem Thema Öffentlichkeitsarbeit. Am tiefen Graben, den er zwischen der Bevölkerung selbst in dieser ländlichen Gegend und der Landwirtschaft wahrnimmt, sind die Landwirte seiner Meinung nach nicht unschuldig: „Die haben doch die letzten 20 Jahre geschlafen. Sie haben zum Beispiel total den Anschluss an die modernen Medien verpasst.“
In Pripsleben findet alle zwei Jahre ein großes Hoffest statt, erzählt Mauer: „Da kommen schon mal 4.000 Leute. Außerdem haben wir regelmäßig Schüler auf dem Hof. Nicht selten kommen gleich vier Grundschulklassen mit dem Bus aus Neubrandenburg. Dann bauen wir Stationen auf und zeigen ihnen unsere Arbeit. Und aus dem Ekel angesichts eines Haufens Stalldung wird ganz schnell Neugier und Faszination, wenn wir erzählen, wie wichtig der als Dünger ist und wie er für Bodenleben sorgt.“
Mit demselben Ziel – die Bevölkerung über seine Arbeit zu informieren – ist Mauer wie viele seiner Berufskollegen im November mit dem Schlepper in die Hauptstadt gefahren. „Ich war überrascht, wie viel Zuspruch und Verständnis uns die Leute in Berlin entgegengebracht haben.“ Deshalb ist er sicher, dass Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit den Graben zwischen Landwirtschaft und Verbrauchern schließen werden. Mauer weiß, dass sein Unternehmen den bestmöglichen Weg zwischen hochwertiger Lebensmittelerzeugung, Naturschutz und regionaler Verantwortung geht. Er will dafür sorgen, dass auch der Verbraucher es erfährt.