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Dem Optimum auf der Spur
Unter idealen Bedingungen können moderne Sorten ihr ganzes Potenzial ausspielen. Selbst dort, wo es ackerbaulich hakt, gibt es oft noch gute Ernten. Ein Landwirt aus Sachsen-Anhalt untersucht seit vielen Jahren, ob er sein Ertragsoptimum erreicht. Sein Ergebnis: Bei der Gerste ist er nah dran, beim Weizen wäre in den meisten Jahren mehr drin gewesen. Seine Analyse: Es liegt an der Vorfrucht.
Horst Düll macht der Ackerbau sichtlich Spaß. Wenn der Diplom-Agraringenieur über seinen 480-Hektar-Betrieb, das Stiftungsgut Üplingen in Ausleben (Sachsen-Anhalt), spricht, ist ihm die Freude an seiner Arbeit anzumerken. Kein Wunder, denn mit seinen schweren Böden, langfristig gepachtet zu „interessanten Konditionen“, sind die Voraussetzungen für einen ertragreichen und lukrativen Ackerbau ideal. Für ihn und seinen Partner, Jörg Hartmann, war es 1999 kein langes Überlegen, hier, 25 Kilometer südöstlich von Helmstedt, einzusteigen. Heute betreiben sie den reinen Ackerbaubetrieb in Form einer GbR.
Knapp die Hälfte der Flächen ist mit Getreide bestellt: 205 Hektar (ha) Winterweizen, der fast ausschließlich als Saatgut vermehrt wird, und 60 ha Wintergerste, die als Futter an einen benachbarten Schweinemäster verkauft wird. 130 ha Zuckerrüben und 80 ha Silomais komplettieren die Fruchtfolge.
Das Jahr 2014, wo landauf, landab Rekordernten beim Getreide eingefahren wurden, war auch für Düll ein denkwürdiges. „Bei der Wintergerste haben wir mit über 112 dt/ha ein absolutes Spitzenergebnis eingefahren“, greift er zum Superlativ. Deutlich weniger euphorisch, aber immer noch positiv fällt seine Reaktion auf die Erträge des Winterweizens aus. 95 dt/ha waren es hier, und Düll ist „zufrieden“.
Horst Düll beim Zahlenvergleich am Schreibtisch: Während sich die Wintergerste regelmäßig am Ertragsoptimum bewegt, bleibt der Weizen meistens hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Foto: Hollweg
Vergleich von Versuchs- und Praxisflächen
Was für viele Getreideanbauer auch in 2014 ein Traumertrag gewesen wäre, lässt Düll eher nachdenklich sein. Er weiß nämlich, es wäre mehr drin gewesen. Und diese Gewissheit kommt nicht von ungefähr, er kann sie belegen.
Der Grund: Seit mehreren Jahren hat der Landwirt auf dem Stiftungsgut ein Feldversuchswesen als zweites Standbein neben dem Ackerbau aufgebaut. Kunden sind namhafte Unternehmen der Dünger-, Pflanzenschutz- und Saatgut-Branche. „Das bringt uns immer neue Erkenntnisse, rege Diskussion mit den Besuchern der Demonstrationsflächen und enge Kontakte zu Industrie und Handel“, erklärt er.
Die Versuche finden unter „optimierten Praxisbedingungen“ statt. Für Anlage, Ernte und Auswertung wurde eigens ein Diplom-Agraringenieur eingestellt. Er ist für exaktes Arbeiten und Vermessen verantwortlich und kann dabei auf moderne Parzellen-Technik und ein externes Labor zurückgreifen.
Düll nutzt dieses Versuchswesen aber auch für sich selbst. Es treibt ihn die Neugierde an, wissen zu wollen, wie nah er auf seinen Praxisflächen dem Anbauoptimum kommt.
Ein Blick auf die Zahlen aus 2014 erklärt denn auch Dülls gebremste Freude. Während die Wintergerste auf den Praxisflächen und im Versuchsfeld annähernd identische Ernten brachte, klaffte beim Winterweizen eine große Lücke. „Nach unseren Versuchsergebnissen hätten die Sorten das Potenzial für 109 dt/ha gehabt“, weiß Düll – eine Differenz von 14 dt/ha. Und immer noch ein passabler Wert. In anderen Jahren war das Defizit deutlich größer.
An verschiedenen ackerbaulichen Intensitäten von Versuch und Praxis liege es nicht, versichert der Ackerbauer. Bei diesen hohen Getreideerträgen sei die beste Versorgung und Pflege der Bestände gerade gut genug. „Hier zu sparen, ist Sparen am falschen Ende“, so Düll und er präzisiert für den Weizen: 210 – 230 kg Stickstoff je Hektar (zwei Drittel mineralisch, ein Drittel organisch), intensiver Herbizid-Einsatz mit maximalen Mengen gegen Ungräser, zweifacher Einsatz von Wachstumsreglern wegen der organischen Düngung, Fungizide gezielt bei Bedarf, da bei durchschnittlich 560 mm Niederschlag pro Jahr (2014: 510 mm) nur geringer Pilzdruck besteht.
Die Vorfrucht bestimmt den Saatzeitpunkt
Gut versorgt und gepflegt ist es am Ende der Saatzeitpunkt, der für die Ertragsdiskrepanz von Praxis- und Versuchsflächen verantwortlich ist. Und der wiederum ist abhängig von der Vorfrucht.
Die Wintergerste steht in Dülls Fruchtfolge immer nach dem früh räumenden Weizen. Bis zum optimalen Saattermin zwischen dem 20. und 25. September ist ausreichend Zeit, den schweren Boden systematisch saatfertig zu machen. „Bis zu fünf Mal wird gegrubbert, abwechselnd tief und flach, danach wird gewalzt“, skizziert Düll die Bodenbearbeitung, bei der der Pflug längst ausgedient hat. Der Acker sei danach wie ein „feinkrümeliges Gartenbeet“, da auch das Wetter zu der Zeit meistens noch mitspielt. Dank bester Startbedingungen gehen die Bestände dann gut entwickelt in den Winter.
Eine solche Entwicklung vor Einbruch des Winters ist dem Weizen nur selten vergönnt, weil der optimale Saattermin Ende September/Anfang Oktober fast nie erreicht wird. Seine Vorfrüchte, in der Regel Zuckerrüben und Silomais, haben bis dahin das Feld nur ganz selten geräumt. Erschwerend kommt oft hinzu, dass die Böden von den Erntemaschinen zerfurcht und die Witterungsverhältnisse für die Bestellung nur selten wirklich gut sind.
Die Bodenbearbeitung – auf schweren Böden so außerordentlich wichtig – muss dann in nur wenigen Tagen erledigt sein. „Manchmal muss vor der Saat ein ein- bis zweimaliges Grubbern ausreichen“, schildert Düll seine Praxis. Deshalb wundert es ihn nicht, dass er diesen Start unter erschwerten Bedingungen auch mit einer erhöhten Stickstoffgabe im Frühjahr kaum ausgleichen kann.
Es hat also ackerbauliche Ursachen, dass die Weizensorten nicht ihr volles Potenzial ausspielen können. „Ein hausgemachtes Problem“ nennt es Düll, das am Ende meistens „nur zufriedenstellende Erträge“ beschert. Ausnahmen sind selten. 2013/2014 war so ein Jahr. Bei der Aussaat im Herbst lief alles glatt, und am Ende brachte der Weizen „Bombenerträge“ um bis zu 100 dt/ha, und das selbst auf den schwächeren Teilschlägen des Betriebs.
Aber auch das Gegenteil hat der Landwirt erlebt: schwierige Aussaaten und bescheidene Weizenerträge bis weit unter 75 dt/ha. „Die Ausschläge sind viel stärker als bei der Wintergerste“, bilanziert er. Das sei kein Wunder, wenn 50 bis 70 % des Weizens „suboptimal“ in den Boden kämen.
Betriebsspiegel
Stiftungsgut Üplingen GbR
Geschäftsführer:
Horst Düll, Jörg Hartmann
Betriebsart:
Saatgutvermehrung, Marktfruchtbau, Anbau nachwachsender Rohstoffe, Sortenversuche/-demonstrationen
Größe:
500 ha arrondiert, davon 480 ha Acker
Anbau:
130 ha Zuckerrüben, 80 ha Silomais, 205 ha Winterweizen, 60 ha Wintergerste, 5 ha Versuchsfläche
Böden:
Lösslehm mit stark wechselnden Tonanteilen (70–96 Bodenpunkte), degradierte Parabraunerde (45–75 Bodenpunkte)
Standort:
170–215 Meter über NN, Jahresdurchschnittstemperatur 8,5 °C, 560 mm Niederschlag
Mitarbeiter:
ein Verwalter (0,5 AK), zwei Schlepperfahrer
Mechanisierung:
Eigenmechanisierung, Maschinengemeinschaft, Lohnunternehmer
Mit neuesten Sorten den Zuchtfortschritt nutzen
Auch wenn Düll einen Teil des genetischen Potenzials seiner Winterweizensorten nicht nutzen kann, sät er immer neueste Sorten aus. Das liegt zum einen daran, dass ihm die Sorten für die Saatgutvermehrung von den VO-Firmen vorgegeben werden. Er hat aber auch in den letzten 15 Jahren die Erfahrung gemacht, dass der Zuchtfortschritt Garant für kontinuierlich steigende Weizenerträge ist. „Zu Beginn, also 1999, lagen unsere Winterweizenerträge bei durchschnittlich unter 80 dt/ha, heute sind es etwa 90 dt/ha“, sagt Düll.
Bei Wintergerste sehen die Zahlen ähnlich aus. 1999 mit einem Durchschnittsertrag von Anfang 80 dt/ha gestartet, werden jedes Jahr jetzt „zuverlässig“ um die 100 dt/ha eingefahren. Im Spitzenjahr 2014 wurde dieser Wert sogar noch einmal um über 12 dt/ha getoppt.
„Wenn man nah dran ist am ackerbaulichen Optimum, kann eine Sorte ihr genetisches Potenzial voll ausspielen“, weiß Düll von seiner Wintergerste. Aber auch seine Erfahrungen mit dem Winterweizen bestärken ihn, Z-Saatgut modernster Prägung einzusetzen. „Damit kann ich einen gewissen Teil des Minderertrages, der auf die schlechten Startbedingungen zurückzuführen ist, ausgleichen“, lautet sein Fazit.
Ein regelmäßiger Sortenwechsel, sowohl beim Weizen als auch bei der Gerste, gehört für ihn zur Philosophie einer modernen Landwirtschaft. „Ich kaufe ja auch einen neuen Mähdrescher, weil er die bessere Technik hat, und verwende moderne Pflanzenschutzmittel, weil sie den bisherigen Produkten überlegen sind“, sagt er. Bei den Getreidesorten sei das nichts anderes.
Nur geringe Erntemengen werden in den Gebäuden des Stiftungsguts Üplingen eingelagert. Das Gros der Ernte liefert Horst Düll direkt vom Feld an die aufnehmende Hand.
Foto: Hollweg